Samstag, 5. April 2014

[Gelesen] Lotta Wundertüte - Unser Leben mit Rollstuhl und Bobbycar (Biographie)

... von Sandra Roth

"Lotta Wundertüte" ist 2013 im Kiepenheuer & Witsch-Verlag erschienen, 260 Seiten,
ISBN 978-3-462-04566-6

Über dieses biographische Buch bin ich beim Ausstellungstisch der Bücherei gestolpert, habe es spontan mitgenommen - und sage euch jetzt: Lest - dieses - Buch!

Sandra Roth ist im neunten Monat schwanger, als sie erfährt, dass ihr Kind eine Aderfehlbildung im Gehirn hat. Ein Teil des Hirns wird nicht ausreichend mit Sauerstoff versorgt.
Man kann nicht sagen, was das heißt. Vielleicht kann das Gehirn das kompensieren - vielleicht nicht. Anfangs fürchtet sie, dass ihre Tochter Lotta eine  halbseitige Spastik haben könnte - später wird sie sagen: Ich wäre glücklich, wenn es nur so wäre.

Lottas Bruder Ben sagt "Lotta ist gut im Liebhaben", "Lotta kann krabbeln - im Geheimen" und "Wann hört Lotta denn auf, blind zu sein?"
Fremde und Bekannte fragen: "War es im neunten Monat denn zu spät für eine Abtreibung?"
Und Sandras Freundin Melanie meint hilflos "Das wird schon - übrigens, mein Luca kann jetzt laufen".

Frau Roth beschreibt ihre Erlebnisse, Gedanken und Gefühle, Ängste und Momente des Glücks. Wie geht man damit um, wenn das Kind alles sein könnte - gesund, leicht eingeschränkt oder schwerstbehindert, man weiß es nicht und muss abwarten, wie es sich entwickelt? Wie geht man mit den Blicken der Leute um, mit Menschen, die zur Geburt eines Kindes ihr Beileid bekunden statt ihren Glückwünschen? Frau Roth fragt sich - wie hätte sie denn reagiert auf solche behinderten Kinder, früher? Und wie schafft sie es nur, den zwei Jahre älteren Ben nicht zu vernachlässigen bei all der Pflege für Lotta?


Ich bin einer dieser Menschen, die hilflos wären im Umgang mit behinderten Menschen, und den Müttern von behinderten Kindern, die nicht wüssten, ob man hin- oder wegschauen soll. Frau Roth verurteilt das nicht - sagt aber, welche Reaktionen für sie schöner waren als andere.

Sandra Roth ist hauptberufliche Journalistin, und das merkt man ihrem Schreibstil an. Das Buch liest sich flüssig, ist manchmal aufwühlend, manchmal aufregend, manchmal hoffnungsvoll. Nie mitleids- oder bewunderungsheischend, sondern sympathisch, menschlich, nachvollziehbar.

Jedem, der sich für das Leben, den Umgang mit Behinderung und für andere Menschen interessiert, kann ich nur raten: Schnappt euch dieses Buch!
 

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